Fahren Sie auf Sicht?

Mario Kohle, Gründer von Enpal, und das Biopharmaunternehmen Moderna zeigen, wie visionäres Denken und mutige Entscheidungen helfen, Unsicherheiten zu meistern und transformative Ziele zu erreichen. Erfahren Sie, warum ambitionierte Investitionen in Zeiten des Umbruchs der Schlüssel zur Zukunft sind.

Hallo aus Hamburg,

in einem Interview erläutert Mario Kohle, Gründer und Geschäftsführer des Berliner Unicorns Enpal, seine Unternehmensphilosophie. Er überlege sich stets, wie etwas sein sollte, nicht, wie es ist. Er denke nicht darüber nach, wie er etwas besser machen könne, sondern frage sich: Wie sollte etwas in einer idealen Welt sein? Wie wäre es, wenn das Problem gelöst wäre? Dann sehe man den Weg bis zum Erreichen des Ziels klarer, so Kohle, der diese Strategie selbstverständlich auch bei Enpal anwendet. Das unmögliche Ziel der Gründer: zehn Millionen deutsche Haushalte bis Ende dieses Jahrzehnts mit nachhaltigen Energiequellen versorgen und damit die Energiewende von unten schaffen. 


Das Biopharmaunternehmen Moderna hat sein erstes Ziel schon erreicht: Eine früh eingeleitete Digitalisierung von Prozessen versetzte das Unternehmen bereits im Januar 2020 in die Lage, sein mRNA-basiertes Covid-Medikament zu entwickeln. Bei der Weiterentwicklung seines Geschäftsmodells stellt sich Moderna stets „What if“-Fragen, zum Beispiel: Was wäre, wenn mRNA ein Arzneimittel sein könnte? Die daraus gebildete Hypothese wird durch Prototypen getestet und in ein Geschäftsmodell überführt.

Die Unsicherheit meistern, indem man sich die Zukunft aneignet, so nenne ich die Vorgehensweise von Enpal und Moderna.

Das Gegenteil erlebe ich zurzeit in vielen etablierten Unternehmen. Gerade in diesen Zeiten des Umbruchs fällt so manches Management in das Muster des Bewahrens. Doch auch wenn Krisen oft dazu zwingen, Kosten einzusparen, bringen sie gleichzeitig die Notwendigkeit mit sich, in Unbekanntes zu investieren. Diesem Zielkonflikt versuchen wir oft mit vorsichtigem Herantasten zu begegnen. So suchen wir für die anstehenden großen Transformationsaufgaben nach Fach- und Führungskräften mit Erfahrung in möglichst derselben Branche, die zudem nicht das vorhandene Gehaltsgefüge stören sollten. Wir entwickeln also das Neue aus der Vergangenheit und den gegebenen Möglichkeiten.

Vor zwei Wochen war ich in Berlin Zeuge einer Diskussion zwischen Start-up-Gründern und Unternehmensleitern von etablierten Unternehmen. Da wurde mir der Unterschied im Umgang mit dem Unbekannten klar. Die Start-ups, durch Venturecapital-Finanzierung (VC) zu Hyperwachstum verpflichtet, setzen sich überambitionierte Ziele, die eine positive Pfadabhängigkeit erzeugen. Sie wachsen in die Ziele hinein, auch wenn sie diese nicht immer erreichen. Entsprechend rekrutieren sie auch: „Wenn ich in fünf Jahren eine Marktdurchdringung von x haben will, muss ich heute jemanden einstellen, der ein vielfach größeres Volumen gemeistert hat, als wir es heute haben – selbst wenn er das Dreifache von dem kostet, was ich mir heute leisten kann, und egal aus welcher Branche.“


Nun könnte man sagen: Die gut finanzierten Start-ups haben gut reden. Die haben Wagniskapital, das etablierte Unternehmen nicht haben. Der Dialog in Berlin macht allerdings deutlich, dass sich die Zwänge, in denen sich VC-finanzierte Start-ups befinden, wenn es um Gesellschafterentscheidungen zu Investitionen geht, denen von seit Generationen in Familienhand befindlichen Unternehmen durchaus ähneln. Denn Unicorns haben einen rasend schnell gewachsenen Gesellschafterkreis, der sich aus einer wilden Mischung aus Friends & Family, Business Angels und Wagniskapitalgebern mit häufig sehr unterschiedlichen Interessen und Emotionen zusammensetzt. Da kann es schon mal passieren, dass der eine oder andere Gesellschafter, der vor dem Ukraine-Krieg das Hohelied des Wachstums um jeden Preis gesungen hat, nach Ausbruch des Krieges auf Profitabilität pocht und weitere drei Monate später einen Streit über die Bewertung des Unternehmens anzettelt. Bei Familienunternehmen kann es Tante Erna sein, die über Generationen zufällig an die Rolle einer Mehrheitsgesellschafterin gekommen ist und nun partout nicht einsehen will, wieso man so viel Geld für etwas ausgeben soll, bei dem man noch nicht weiß, was dabei rauskommt.

Vergleiche hinken. Aber ich frage mich: Ist eine Zeit der Unsicherheit nicht genau die richtige, um viel ambitionierter in dem zu sein, was wir erreichen wollen? Wie radikal und kompromisslos treffen Sie zurzeit Entscheidungen?

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