#40 KI verändert nicht wie wir arbeiten. KI verändert, was Arbeit ist.

Organisationen stecken fest im operativen „Wie“ der KI-Einführung – doch KI fordert ein anderes Denken: weg von starren Plänen hin zu strategischem Urteilsvermögen und kontinuierlichem Lernen. Erfolgreich sind jene, die Wissen kuratieren und den Menschen ins Zentrum stellen, statt sich in Perfektion und Kontrolle zu verlieren. Stillstand ist das größte Risiko in einer Zeit, in der KI Arbeit grundlegend verändert.

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Michael Jabbour, CIO Education bei Microsoft, erklärte es letzte Woche bei einem Bootcamp an der Graduate Stanford School of Business so: Innovation war schon immer das clevere Kombinieren vorhandener Muster. Algebra entstand durch das Zusammenfügen hinduistischer Ziffern, griechischer Geometrie und babylonischer Astronomie. Die Entdeckung der DNA-Doppelhelix war ein Puzzle aus bekannten Kristallographie Mustern, chemischen Erkenntnissen und strukturellen Vermutungen. Früher brauchte es Jahre und viele Expertenteams, um solche Muster zu erkennen und nutzbar zu machen. Heute übernimmt KI diese Mustererkennung – in Sekunden und zu geringen Kosten. Es reicht, Experte in einem Bereich zu sein, dann fließend in der Mustererkennung über Domänen hinweg zu werden und furchtlos neu zusammenzusetzen. Wertschöpfung liegt dann nicht mehr im Wissen wie, sondern in der Beantwortung der Frage: „Was wollen wir mittel- bis langfristig erreichen? Warum sind wir dann noch im Markt?“ Es sind mehr denn je strategische Fähigkeiten, die in Gegenwart und Zukunft über Erfolg entscheiden und tendenziell weniger operative Exzellenz.

Viele Organisationen agieren allerdings noch so, als seien Zugang zu Wissen und die Mustererkennung ein knappes und wertschöpfendes Gut. Sie pochen auf Patente, schützen ihr Expertenwissen und entwickeln aufwändige Schulungsprogramme.

Andere haben den Zugang geöffnet – bieten KI-Tools an, senken Eintrittshürden. Doch ohne ein kluges Geschäftsmodell dahinter brechen Margen ein. Es ist offen, worin das profitable Monetarisierungsmodell von OpenAI liegen wird. Oder wer die Werttreiber der Zukunft sind, wenn Google jetzt seine Suchmaschine mit KI hinterlegt und sein Anzeigengeschäft disruptiert.

Erfolgreich sind diejenigen, die das Kuratieren von Wissen zur neuen Währung machen. Sie verkaufen kein Wissen mehr, sondern Urteilsvermögen. Sie wissen, was in welchem Kontext entscheidend ist, worauf es ankommt, was hilft weiterzukommen. Sie verstehen, dass KI ein hilfreiches Gerüst ist, das dem Menschen das Denken und Entscheiden nicht abnimmt, sondern es mehr denn je einfordert.

Beispiel: Wir, die company companions, sind überzeugt, dass klassische Beratungsleistungen – Analyse, Strukturierung, Methodenwissen – in der KI-Welt keine Zukunft haben. Deshalb machen wir unsere eigenen Methoden öffentlich, entwickeln daraus eigene KI-Agenten mit Lizenzzugang. Ziel: Unternehmen sollen damit selbst Strategie- und Führungsprozesse gestalten können. Unser Wertbeitrag verlagert sich: vom „Wie“ zum „Was“: aufmerksam zuhören, genau beobachten, tiefgehend verstehen, aktiv begleiten und Konflikte konstruktiv beheben helfen.

Noch einmal: KI ist keine neue Softwarelösung. KI zwingt uns, das Denken in linearen Prozessen zu verlassen. Deshalb bringt uns ein klassischer, auf das operative „wie“ konzentrierter Plan nicht weiter.

Was wir stattdessen brauchen, ist:

  • Geschwindigkeit statt Perfektion: Statt ein zentrales KI-Projekt zu starten, dem lange Vorstudien vorausgehen, starten einige Führungsteams mit einem wöchentlichen „KI-Mittwoch“: Mitarbeitende bringen selbst erprobte KI-Anwendungen mit – aus HR, Sales oder Einkauf. Ergebnis: Lernen geschieht dezentral, kontinuierlich und kontextnah.
  • Technologie und Kultur: Es genügt nicht, Lizenzen für KI-Tools zu kaufen. In einem mittelständischen Maschinenbauunternehmen wurde zum Beispiel jede Führungskraft verpflichtet, einen Monat lang mit einem GPT-Agenten zu arbeiten, die veränderten Arbeitsprozesse zu dokumentieren und die Erkenntnisse zu teilen.
  • Praktiken, die aus Fehlern lernen: Eine Organisation richtete einen „KI-Irrtum der Woche“ als festen Slot im Managementmeeting ein. Dort wird jeweils ein gescheiterter Anwendungsversuch analysiert – nicht zur Klärung der Schuldfrage, sondern als Lernimpuls. Die systematisierte Rückschau schafft organisationales Lernen.
  • IT-Verantwortliche, die auf das Was und den Menschen schauen: Ein IT-Verantwortlicher berichtete mir, dass er heute vor allem zwei Fragen stellt: „Was sind bei uns relevante Entscheidungen – und was kann weg?“ sowie „Wer hat Lust, mit KI zu experimentieren – und wer braucht Orientierung?“ Der Fokus verschiebt sich vom Delegieren zur gezielten Ermöglichung.

Das größte Risiko liegt jetzt nicht darin, falsch zu liegen, sondern im Stillstand zu verharren.

Wie gestaltet Ihr das neue Zusammenspiel zwischen KI und IT in Euren Unternehmen und Teams?

Und hier noch ein kleiner Mini-Selbsttest für IT-Verantwortliche:

  1. Wo im Unternehmen werden heute noch Prozesse manuell oder in Excel betrieben, die ein KI-Agent unterstützen könnte – habe ich das systematisch geprüft?
  2. Wann habe ich zuletzt selbst mit einem KI-Tool gearbeitet, um meine Arbeit anders zu denken – nicht schneller, sondern grundlegend anders?
  3. Welche Entscheidungen treffe ich regelmäßig, die durch Daten gestützt, automatisiert oder delegiert werden könnten – und was hält mich davon ab?

Wenn mindestens zwei dieser Fragen Unbehagen auslösen, lohnt ein Termin für den ersten „KI-Mittwoch“.

Euer Markus Baumanns

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