Fachkräftemangel – ein Mythos?

Bauunternehmer Hubert Rhomberg hinterfragt den Fachkräftemangel und zeigt, wie sein Unternehmen durch Innovation, Menschlichkeit und eine Kultur des Teilens von Wissen erfolgreich ist. Der Artikel beleuchtet, warum der Fachkräftemangel oft ein Mythos ist und welche Ansätze Unternehmen für die Zukunft benötigen.

Hallo aus Hamburg,

in einer hörenswerten Folge des Podcasts „Digitalwerk Transformation – Bau, Handwerk und Immobilien“ erklärt der Bauunternehmer Hubert Rhomberg zum Thema Fachkräftemangel: „Es gibt genügend Mitarbeiter da draußen. Nur nicht für alle.“ Und dann erläutert er, wie er sein Familienunternehmen in der vierten Generation zu einem der innovativsten und nachhaltigsten Unternehmen der Baubranche entwickelt hat.

Rhombergs provokative Aussage liefert eine gute Gelegenheit, der gebetsmühlenartig wiederholten Klage über den Fach- und Führungskräftemangel in Deutschland auf den Grund zu gehen. Und siehe da: Einiges spricht dafür, dass es sich um einen Mythos handeln könnte. Zumindest scheint die simple demografische Gleichung „Babyboomer scheiden aus dem Berufsleben aus – geburtenschwache Jahrgänge kompensieren diesen Verlust nicht“ oder die These „Neue Generationen wollen weniger arbeiten“ am Problem vorbeizugehen.

Bei genauerem Hinsehen stellt sich heraus, dass die meisten Studien zum Fachkräftemangel die derzeitige Beschäftigungslage zum Maßstab nehmen. Datenbasis sind die gemeldeten offenen Stellen und die von der Bundesagentur für Arbeit registrierten Arbeitslosen, die nach Berufen eingeteilt werden, deren Klassifikation zuletzt vor mehr als zehn Jahren überarbeitet wurde und damit überholt ist. Die Anzahl offener Stellen wird dann ins Verhältnis zur Anzahl der in den kommenden Jahren ausscheidenden Manager und Fachkräfte gesetzt. Qualifizierte Zuwanderung, langes Warten auf Visaerteilung für Studienvorhaben in Deutschland und Arbeitserlaubnis oder Nichtanerkennung von internationalen Studien- oder Ausbildungsabschlüssen werden bestenfalls benannt, haben aber keine korrigierenden Auswirkungen auf den Befund.

Kaum hinterfragt wird zudem die Zukunftstauglichkeit von Effektivität und Effizienz, mit der heute in Unternehmen gearbeitet wird. Fragen, die sich zurzeit alle Unternehmen stellen wie „Sind wir mit dem, was wir heute machen, in Zukunft noch wettbewerbsfähig?“ oder „Werden wir in Zukunft noch so arbeiten wie heute? Brauchen wir überhaupt noch so viele Leute?“ haben keinen Einfluss auf die Feststellung des Fachkräftemangels.

Gleichzeitig beobachten wir, dass bei Stellenausschreibungen von Unternehmen zu wenig infrage gestellt wird, ob die frei gewordene Position tatsächlich wieder genauso besetzt werden muss. Personalverantwortliche schauen vor allem nach Fachkompetenzen, die zur Stelle passen – die Fähigkeit, mit Unsicherheit und Veränderung umzugehen, wird seltener geprüft. Stattdessen ist in Stellenausschreibungen für Junior Manager zu lesen, dass drei bis fünf Jahre Berufserfahrung Voraussetzung für den Job sind – auch wenn sich die Ausschreibung an Berufsanfänger wendet. Überhaupt stellt sich der Einstieg ins Berufsleben besonders für Hochschulabsolventen de facto schwierig dar. Die Traumkandidatin ist die, die sich ab dem ersten Tag ihres Jobantritts nahtlos in die Aufgabe einfügt und ihre Sache zufriedenstellend erledigt. Für die Mühen (und Chancen) einer Personalentwicklung, so ist von Führungskräften oft zu hören, fehlten Zeit und Kapazitäten. Statt also die Fachkräfte für die wichtigen Themen der Zukunft zu entwickeln, stimmen viele Personalverantwortliche lieber in das allgemeine Klagelied ein – und stellen bevorzugt die ein, die sie kennen und von denen sie keine bösen Überraschungen erwarten. Menschen mit Beeinträchtigungen? Mit Migrationshintergrund? Geflüchtete? Hand aufs Herz: Die Personalauswahl ist ein Nährboden für Vorurteile und Komfortzonen. Allen Sonntagsreden und glanzvollen Unternehmensberichten zum Thema Inklusion und Diversität zum Trotz.

Ist also die kollektive Klage über Mitarbeitermangel in Wahrheit nur ein Ausdruck von Bequemlichkeit und mangelnder Veränderungsbereitschaft? Oder Ausdruck einer am zukunftsuntauglichen Status quo der deutschen Wirtschaft orientierten Betrachtungsweise?
 

Rhomberg weist in seinem Podcast auf einen weiteren Aspekt des vermeintlichen Fachkräftemangels hin: Wir haben die Kultur des Sterbenlassens verlernt. Er bezieht sich auf Zombie-Unternehmen, also hoch verschuldete Firmen, die EU oder Staat durch Subventionen künstlich am Leben erhalten. Damit opfern sie langfristige wirtschaftliche Stabilität für kurzfristige Effekte auf dem Arbeitsmarkt und verknappen zusätzlich Kapazitäten für gesunde Unternehmen.

Um die Attraktivität seines Unternehmens hochzuhalten, setzt Rhomberg auf Menschlichkeit im Umgang miteinander, auf Neugier und Innovationsfreude, die gute Leute anziehen, und auf eine Kultur des Teilens von Wissen.


Welche Wege und Mittel haben sich bei Ihnen als wirksam erwiesen, um beste Leute zu gewinnen und zu halten?

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