Die unverstandene Generation Z

In den sozialen Medien sorgt die Hamburger Agentur für Aufregung, indem sie erklärt, keine Praktikanten der Generation Z mehr einstellen zu wollen.

Hallo aus Hamburg,

in den sozialen Medien herrschte Aufruhr, als eine Hamburger Agentur vor kurzem verkündete, sie werde keine Praktikantinnen und Praktikanten der Generation Z mehr anstellen. Die zwischen 1995 und 2010 geborene, nun auf den Arbeitsmarkt drängende, gut ausgebildete Generation, sei nicht belastbar und habe überzogene Erwartungen: „Wer nach sechs Stunden zum Yoga muss, ist für uns keine Hilfe“, so wird der Geschäftsführer zitiert. Und auch Mark Zuckerberg zeigt sich fassungslos, als er in einer Diskussionsrunde zur sich verdüsternden wirtschaftlichen Situation von Facebook von einem jungen Mitarbeiter gefragt wird, ob es zusätzliche freie Tage, die während der Pandemie eingeführt wurden, auch im Jahr 2023 geben würde. Der Leiter einer Unternehmensberatung klagt darüber, dass jüngere Mitarbeiter nicht mehr zum Kunden reisen wollen, da, so die Begründung, man Workshops ja auch online geben könne.

Umfragen kommen zu dem Ergebnis, dass sich die Generation Z eine klare Trennung zwischen Beruf und Privatleben wünscht, außerdem feste Arbeitszeiten, Flexibilität, Vielfalt der Aufgaben und persönliche Identifikation mit der beruflichen Tätigkeit. Man wäre lieber arbeitslos als unglücklich im Job. Grenzenlose Erfüllung im Job und geregelter Feierabend – wie soll das zusammengehen? 


Sozial- und Bildungswissenschaftler sind mit Analysen zur Stelle. Der Grund für eine angeblich eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit, Ausdauer und Kontaktfähigkeit dieser Generation sei eine Überbehütung durch eine allzu fürsorgliche Erziehung. Helikoptereltern hätten aus Kindern schwache Persönlichkeiten gemacht, heißt es. „Kinder, die nie auf Hindernisse stoßen, lernen nicht, sich aus eigener Kraft durchzusetzen, Konflikte durchzustehen, Spannungen auszuhalten, zu scheitern“, sagte der Sozial- und Bildungsforscher Klaus Hurrelmann, »Focus online«.


Es ist wahr, dass „Alles, und zwar sofort“ Teil der alltäglichen Normalität einer Generation ist, die auf Knopfdruck per Amazon alles bekommt, was sie sich wünscht. Finanziell haben gut ausgebildete junge Erwachsene in ihrem Leben bisher keinen Mangel erlitten. Auch sieht sich diese Generation schier unbegrenzten Chancen und Möglichkeiten gegenüber, weil sie wegen der Knappheit an qualifizierten Arbeitskräften eine Handlungsmacht hat wie kaum eine zuvor.

Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Dank Corona erlebte diese Generation Bildungsabschluss und Berufseintritt in Dauerquarantäne. Im Austausch über Social-Media-Plattformen verglich sie sich untereinander, erlebte aber kaum Führungspersönlichkeiten in alltäglicher Zusammenarbeit, an denen sie sich reiben konnte. Potenzielle Rollenvorbilder nahm sie in Dauerbelastung und in der latenten Gefahr des Ausgebrannt-Seins wahr. Kann es verwundern, dass die jungen Menschen sich fragen: Will ich so leben? Pünktlich zum Jobantritt kündigt sich dann auch noch mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine, rapide steigenden Preisen und dem Zusammenbruch der Globalisierung, wie wir sie in den vergangenen drei Jahrzehnten kannten, Anzeichen für einen Umbruch an, der nicht nur in dieser Generation für hohe Verunsicherung sorgt.


Ich habe meinen eigenen Lernweg hinter mir. Im Bemühen, eine Mitarbeiterin bei ihrem Balanceakt zwischen eigenem Anspruch an ihre Arbeit, Aufgabe als junge Mutter, Erwartungen ihres Partners und der Suche nach Erfüllung im Job zu unterstützen, bot ich höchste Flexibilität in der Zeit- und Jobgestaltung an. Zu spät erkannten beide Seiten, dass es nicht für jeden der richtige Weg ist, der Qual der Wahl mit noch mehr Auswahlmöglichkeiten zu begegnen. Das Bemühen endete in abrupter Kündigung: „Das ist alles für mich zu anspruchsvoll.“

Fast überflüssig zu erwähnen, dass es nicht sonderlich intelligent ist, eine ganze Generation über einen Kamm zu scheren. Es ist auch nicht originell, dass eine Generation der Alten über die Jungen schimpft; das war bekanntlich schon immer so und wird immer so bleiben. Das Lamento über die angeblich verlotterte Arbeitshaltung dieser Generation sehe ich als ein Symptom für unsere Unfähigkeit, mit Unsicherheit umzugehen. Besser wäre es, zuzuhören, verstehen zu wollen und durch Klarheit Verunsicherung abzubauen. Zum Beispiel klar zu kommunizieren, welche Erwartungen ich als Arbeitgeber habe. Persönliche Weiterentwicklung zu ermöglichen und zugleich klar zu sagen, welche Wünsche warum nicht erfüllbar sind. Und statt den Untergang des Abendlandes zu betrauern, hilft es mehr, in dieser Generation vielversprechende Menschen zu sehen, die unsere Führungsqualitäten hinterfragen.


Neulich stellte sich die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« die Frage, woher die derzeitige Euphorie der Generation Z für die alten Musikhelden wie Iron Maiden, Jethro Tull, Rolling Stones oder Paul McCartney kommt. Die Antwort: Wer mit 70, 75 und 80 Jahren noch auf der Bühne steht, strahlt eine Unverwüstlichkeit und das Versprechen aus, dass es bei aller Fragilität der Welt ringsum weitergeht. Daraus spricht eine tiefe Sehnsucht.


Herzliche Grüße
Markus Baumanns

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