
Strategieentwicklung ist die Königsdisziplin im Unternehmen. Sie erfordert gleichermaßen Weitblick, Mut und die paradox klingende Fähigkeit, das Unvorhersehbare zu antizipieren. Strategieverständnis von der Pike auf zu beherrschen ist extrem anspruchsvoll – um sich diesem Thema zu nähern, lohnt also eine Betrachtung “ex negativo”. Wir haben uns in unserem »Playbook Enterprise« die Frage gestellt: Was müssten wir tun, damit Strategieentwicklung auf ganzer Linie scheitert? Und was können wir daraus lernen?
1. Sich auf ein Zukunftsbild festlegen
Es ist verführerisch, sich zu früh auf ein scheinbar logisches Zukunftsbild festzulegen. Ein klassisches Beispiel: „Weil unser Markt so groß ist, wird unser Geschäftsmodell immer erfolgreich sein.“ Solche Annahmen klingen angenehm beruhigend – und genau deshalb sollten bei solch scheinbaren Gewissheiten sofort die Alarmglocken schrillen. Die Realität zeigt, dass Märkte sich schneller verändern, als es uns lieb ist.
Stattdessen: Hinterfragt jede Annahme kritisch. Fragt Euch, was passieren könnte, wenn der Markt schrumpft, sich die Technologie verändert oder ein neuer Konkurrent auftaucht. Szenarioanalysen sind hier Euer bester Freund.
2. Triviale Allgemeinplätze formulieren
„Künstliche Intelligenz wird alle Geschäftsmodelle betreffen.“ Solche Aussagen wirken auf den ersten Blick bedeutend – sind aber inhaltlich oft kaum mehr als eine Binsenweisheit. Diese sind kaum zu widerlegen, und gerade deshalb ist die Aussagekraft nahe Null.
Stattdessen: Werdet konkret: Wie genau betrifft uns dieser Trend? Was müssen wir tun, um daraus einen Wettbewerbsvorteil zu ziehen?
3. Basisdemokratisch vorgehen
Strategie erfordert klare Entscheidungen – und die sind selten für alle gleichermaßen bequem. Wer versucht, strategische Richtungen zu finden, die niemandem wehtun, riskiert Mittelmaß. Ein Beispiel: „Wir behalten unser Stammgeschäft unverändert bei, weil es für alle sicher ist.“
Stattdessen: Strategie bedeutet, Prioritäten zu setzen – und sich notfalls von Dingen zu trennen, die nicht mehr zukunftsfähig sind. Das wird nicht allen gefallen. Muss es auch gar nicht, denn Strategie ist keine Abstimmung.
4. Linear denken
Menschen denken eher in linearen Zusammenhängen – und das gilt auch für Unternehmen. Wachstum um X Prozent pro Jahr? Klingt logisch – ist aber oft naiv. Märkte entwickeln sich häufig exponentiell, zyklisch oder unvorhersehbar. Wenn es dafür noch einen Beweis braucht, haben ihn die letzten fünf Jahre eindrücklich erbracht.
Stattdessen: Gute Strategen denken in Szenarien, die auch extreme Entwicklungen berücksichtigen. Was passiert, wenn sich ein Markt plötzlich verdoppelt – oder halbiert?
5. Nabelschau betreiben
Strategie endet nicht an der Grenze des eigenen Unternehmens, Marktes oder Landes. Globale Entwicklungen wie geopolitische Spannungen, ökologische Krisen oder technologische Disruptionen können enorme Auswirkungen auf Euer Geschäft haben. Ein Beispiel: Im Fall einer Übernahme Taiwans durch China wäre mit einem Schlag eine wesentliche Bezugsquelle für Halbleiter gekappt. Wer solche Szenarien ignoriert, läuft ins offene Messer.
Stattdessen: Bezieht externe Experten und Zukunftsforscher ein, um ein möglichst breites Bild zu erhalten und bettet das Unternehmen gedanklich immer in ein Umfeld ein. Denkt global, handelt strategisch.
6. Unwahrscheinliche Szenarien kategorisch ausschließen
Oft scheitern Strategien, weil scheinbar unwahrscheinliche Szenarien ausgeschlossen werden. Denkt an Steve Ballmer, den ehemaligen Microsoft-CEO, der dem iPhone keinen Erfolg zutraute. Oder an Barnes & Noble, die Amazon unterschätzten. Beide dachten zu kurz – und zahlten dafür einen hohen Preis.
Stattdessen: Wagt Gedankenexperimente. Was wäre, wenn Eure Branche sich komplett umkrempelt? Welche disruptiven Ideen könntet ihr selbst entwickeln, bevor es andere tun?
7. Bequeme Wetten abschließen
„Unsere Nachfrage wird in den nächsten Jahren um X Prozent steigen.“ Klingt angenehm – ist aber oft Wunschdenken. Prognosen, die sich auf vergangene Muster stützen, ignorieren die Unsicherheiten der Zukunft.
Stattdessen: Fordert rosige Prognosen immer wieder heraus – Ihr könnt daraus auch einen Wettbewerb machen: Was könnte passieren, damit die Prognose nicht eintritt?
8. Zu allem „Ja“ sagen
Ein häufiges Problem in der Strategieentwicklung: Es wird versucht, alles gleichzeitig zu tun. Der Fokus geht verloren, und Ressourcen werden verschwendet. Noch schlimmer ist es, wenn nicht klar ist, was das Unternehmen in Zukunft nicht mehr machen wird.
Stattdessen: Sagt öfter auch mal „nein“. Fragt: Wo verschwenden wir Zeit und Geld? Welche Projekte bringen keinen Wert mehr? Eine gute Strategie ist so sehr ein „Nein“ wie ein „Ja“.
What´s next?
Diese Liste der No-Gos ließe sich selbstverständlich beliebig erweitern. Wichtig ist uns aber: Gute Strategiearbeit hinterfragt sich stets selbst und darf nicht zum Selbstzweck werden. Sie ist unbequem, manchmal anstrengend und erfordert klare Entscheidungen. Es ist besser, jetzt unbequeme Fragen zu stellen, als später vor den Folgen der eigenen Bequemlichkeit zu stehen.