Schluss mit dem Gejammer in der Wirtschaft

Der Vorstand der Stiftung Familienunternehmen kritisiert die Herausforderungen für den Mittelstand, darunter hohe Bürokratie und regulatorische Umbrüche. Doch statt nur die politischen Rahmenbedingungen zu beklagen, sollten Unternehmen ihre eigenen Managementstrategien hinterfragen und die Chancen des Wirtschaftswandels erkennen.

Hello from Hamburg,

der Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik fasst die aktuelle Einstellung vieler mittelständischer Unternehmer so zusammen: „Die Stimmung ist im Keller.“ Für den Blues macht er langwierige Genehmigungs- und Planungsverfahren verantwortlich. Die überbordende Bürokratie zwinge viele Unternehmen dazu, ins Ausland zu gehen. Und zweifellos sind die Herausforderungen für Unternehmensleitungen groß: hohe Energiepreise in einem besonders energieintensiven Industrieland. Gestiegene Zinsen, die lange hochprofitablen Finanzierungsmodellen in der Baubranche die Grundlage entziehen. Ein politisch gewollter Wandel der Wirtschaft hin zu einer CO₂-freien Ökonomie und zu elektronischen Antrieben im Verbrenner-Autoland.

Das ist das beherrschende Thema in Wirtschaftskreisen, und die Schuldigen sind schnell ausgemacht: Umweltbewegungen und ideologisierte Grüne, die den Umbau der Wirtschaft durchsetzen wollten, koste es, was es wolle. Wenig hilfreiche Behörden, die mit zu wenig Personal ausgestattet und null digitalisiert seien. Die Europäische Union, die mit ihrer Regulierungswut unternehmerische Freiheit ersticke. Die faule Generation Z. Und vor allem die Ampelregierung, die mit ihrer Uneinigkeit all das noch verschlimmere. Im selben Atemzug wird der Ruf nach dem sonst verteufelten Staat zur Abfederung der Härten laut, zum Beispiel durch einen subventionierten Industriestrom.


Selbstkritik und die Frage nach dem eigenen Beitrag zur Misere? Fehlanzeige. Dabei: Haben wir wider besseres Wissens nicht frühzeitig auf neue Antriebe in der Automobilindustrie umgestellt, sehenden Auges Klumpenrisiken mit billiger Energie aus Russland in Kauf genommen, ganze Branchen erschütternde Skandale durch fehlgeleitete Förderung erzeugt, die Digitalisierung von internen Prozessen verschleppt, in quälend langen internen Entscheidungsprozessen immer mehr Komplexität in Unternehmen geschaffen, uns nicht von Kunden oder Produkten getrennt, die wir liebgewonnen haben, die aber seit Langem defizitär sind? Kein Wunder, dass deutsche Unternehmen in puncto Gewinnmargen im internationalen Vergleich von Industrienationen an vorletzter Stelle stehen, wie unlängst der Wirtschaftsprofessor Hermann Simon ausgerechnet hat. In diese Liste passt auch die Zuschrift einer Leserin auf meinen Newsletter zum Mythos Fachkräftemangel, die als Verantwortliche einer Stiftung ein Exzellenzförderprogramm für Azubis aufbaut. Nach vielen Gesprächen mit Personalverantwortlichen im Unternehmen kommt sie zum Schluss, dass „unter anderem so viele Auszubildende fehlen, weil die Stellenausschreibungen schlicht nicht zur Bewerberlage passen. Aus altvertrauten Mustern auszubrechen, scheint unheimlich schwer.“

Wer tiefer bohrt, stößt auf hausgemachte Managementfehlleistungen und Anzeichen einer Trägheit, die auf einem als selbstverständlich genommenen Wachstum in den vergangenen Jahrzehnten basiert. Wie wäre es, wenn wir, statt eine kollektive Untergangsangst zu beschwören und über Folgen zu jammern, die unser Tun und Unterlassen zum Teil selbst zu verantworten hat, unseren Blick auf das richten, was wir selbst verbessern können?


Da lobe ich mir den verständnislosen Blick zweier geschäftsführender Gesellschafter eines großen mittelständischen Werkzeugmaschinenherstellers auf meine Frage, was denn der derzeitige Umbruch der Wirtschaft mit ihnen macht. Bei allem, was zu verbessern ist, ist das Unternehmen blitzsauber aufgestellt. Die internen Prozesse sind seit langem transparent. Die Produktion ist weitgehend automatisiert. Und beide beklagen nicht die vermeintlich schwierigen Rahmenbedingungen in Deutschland, sondern sehen weiterhin ein riesiges Marktpotenzial hierzulande und international für ihre Produkte. Produktion und Vertrieb sind so gestaltet, dass sie geopolitische Risiken abfedern können. Sich laufend selbstkritisch zu hinterfragen und immer unruhig zu sein, ist tief in der Kultur des Unternehmens verankert.


Selbstverständlich handeln Behörden oft dysfunktional, ist staatlicher und supranationaler Regulierungswahn verbreitet – aber es schadet nicht, den Blick auf das zu richten, was Deutschland durch alle Krisen der vergangenen Jahre gut gemeistert hat und was im Ausland stärker gesehen wird als hierzulande: Innerhalb eines Jahres haben wir unsere Energieabhängigkeit von Russland gelöst. 61 Prozent des verbrauchten Stroms kommen aktuell aus erneuerbaren Energiequellen. Wir haben eine Pandemie nicht nur gut überwunden, sondern daraus einen Schub für eine voranschreitende Digitalisierung der Zusammenarbeit erzeugt. Die Inflation sinkt. Neue Industrien wie Halbleiter- und Batteriefirmen entstehen in großer Geschwindigkeit vor allem im Osten Deutschlands. Angesichts der Rechtssicherheit hierzulande und anderer verlässlicher Rahmenbedingungen sollten sich alle, die mit Standortverlagerung drohen, fragen: Wohin denn? Verlässliche Optionen werden in unserer turbulenten Zeit immer weniger.

Nehmen wir es doch einfach, wie es ist: Wir erleben einen großen unvermeidlichen Umbruch unserer Wirtschaft, die umwelt- und sozialbewusster und sinnvoller wird und in der unternehmerischer Erfolg weniger als bisher am „Größer, schneller, weiter“ gemessen wird. Das ist eine Herausforderung, in der auch neue Gelegenheiten stecken – nutzen wir sie mit Entschlossenheit und Mut.

Share post:

Similar posts

Don't miss any more posts!

Do you bear responsibility in a mid-sized company, a fast-growing startup, or a large nonprofit organization? Then subscribe to Dr. Markus Baumanns' newsletter, where he shares industry insights, discusses the latest economic developments, and provides food for thought every month. 

Your registration could not be saved. Please try again.
Thank you for your registration - we look forward to your response.